Muezzin-Ruf – Offener Brief

Die UWG Oer-Erkenschwick bedauert die ablehnende Haltung der DITIB-Gemeinde an der Klein-Erkenschwicker Straße 233, sich mit ihr zum Dialog zu treffen. Mit einem „Offenen Brief“ erneuert sie noch einmal ihr Angebot zu einem ergebnisoffenen Gespräch.


Die UWG hätte zum Beispiel gewusst, wie die türkische Gemeinde die Aussage Ihres jetzigen Staatspräsidenten und damaligen Bürgermeisters von Istanbul Herrn Recep Tayyip Erdoğan „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“ interpretiert.

An den 1.Vorsitzenden der
DITIP – Türkisch-islamische Gemeinde
zu Oer-Erkenschwick e.V.
Herrn Telat Cosgun
Klein-Erkenschwicker-Straße 233
45739 Oer-Erkenschwick

Helmut Lenk (Fraktionsvorsitzender)
Nigelenkamp 4
45739 Oer-Erkenschwick


45739 Oer-Erkenschwick, 12.12.2014


Sehr geehrter Herr Cosgun,
sehr geehrte Damen und Herren,


Ihre Rückantwort auf unser Einladungsschreiben vom 13.11.2014 haben wir am 02.12.2014 erhalten und mit großem Interesse gelesen. Dabei haben wir mit Bedauern Ihrem Antwortschreiben entnehmen müssen, dass Sie das Gesprächsangebot der UWG sowie betroffener und interessierter Bürger über Ihren öffentlichen Gebetsruf ablehnen.


Gleichwohl möchten wir uneingeschränkt Ihrer Feststellung zustimmen, dass auch Ihre islamische Gemeinde Teil des Gemeinwesens Oer-Erkenschwicks ist. Auch Ihrem Hinweis, dass die Praktizierung Ihres Glaubens grundrechtlich geschützt sei, können wir zustimmen, wenn Sie mit uns der Meinung sind, dass Ihnen das Grundrecht der Religionsfreiheit das Recht zugesteht, eine Religion zu haben und zu wechseln, sowie sich zu ihr zu bekennen und sie durch religiöse Bräuche und Riten, insbesondere in einem Gottesdienst, zu praktizieren und all dies im Einklang mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung steht.


Deshalb ist auch für uns der gedankliche Bogen nicht nachvollziehbar, den Sie im Brief schlagen, wenn Sie in einem an mich persönlich gerichteten Schreiben Ihre Sorge vor „latenter Xenophobie“ mit derart emotionaler Abwehr vortragen und mir und somit auch der UWG Fremdenfeindlichkeit insbesondere gegenüber unseren türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unterstellen.


Warum verbreiten Sie derartige Mutmaßungen, obwohl die UWG im Gegenteil in den zurückliegenden Jahren nachweislich immer Kontakt insbesondere zu unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit türkischem Migrationshintergrund gesucht und die Hand zum Dialog gereicht hat. Warum benennen Sie keine konkreten Verweise auf fremdenfeindliche oder gar anti-türkische Stellungnahmen der UWG? Sie können gerne recherchieren, aber Sie werden in diesem Zusammenhang keine einzige negative oder abwertende Bemerkung der UWG finden.


Ihre Gesprächsverweigerung verstärkt leider die Verunsicherung vieler Mitbürger, lässt nun viele berechtigte Fragen unbeantwortet und führt zu vielleicht unnötigen Spekulationen. Gerne hätten wir zum Beispiel in einem Gespräch mit Ihnen erfahren, wie Sie die Aussage Ihres jetzigen Staatspräsidenten Herrn Recep Tayyip Erdoğan interpretieren, die er als Bürgermeister Istanbuls machte und die Sie im Buch „Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam“ des Staatsrechtlers Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider nachlesen können: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.


Sie hätten in dem Gespräch auch erklären können, wie wir Teile einer Rede Ihres Staatspräsidenten Erdoğan verstehen sollen, die er vor der OIC (Organization of Islamic Cooperation) hielt. Darin warf Herr Erdogan, so DIE WELT vom 10.12.2014, zum einen dem Westen vor, zwar als Freunde zu lächeln, sich aber am Tod der Muslime und ihrer Kinder zu erfreuen. Und zum anderen rief er, so DIE WELT weiter, dazu auf, sich vom kindermordenden Westen zu befreien („Wie lange wollen wir das noch erdulden?“) und als Muslime eine Einheit zu bilden, um Israel den Nacken zu brechen.


Für größte Verblüffung sorgt aber Ihr „demokratisches Selbstverständnis“. So verschließt sich für uns die moralische Sinnhaftigkeit eines gesellschaftspolitischen Anspruchs, der meint, ein Gesprächsangebot erst dann aufgreifen zu können, wenn der Gesprächspartner Ihnen bereits vor dem Gespräch das von Ihnen erwartete Gesprächsergebnis bestätigt. Ein derartiges Procedere von Meinungsbildung entspricht nicht unserem politischen Selbstverständnis, zumal gerade bei unterschiedlichen Auffassungen nur ein partnerschaftlicher Dialog zu Toleranz und Konsensfindung führen kann. Unglaubwürdig erscheint uns daher eine Festlegung, die postuliert:


Bist du meiner Meinung, muss ich mit dir nicht mehr reden, und bist du nicht meiner Meinung, rede ich erst recht nicht mit dir.


Wenn wir diese Sichtweise zur Maxime unseres politischen Handelns machen würden, könnten wir unsere gesamte Ratsarbeit einstellen, denn unsere Politik lebt von Lernfähigkeit, Dialogbereitschaft und Kompromisskompetenz.


Wir wünschen Ihnen, sehr geehrter Herr Cosgan, und Ihrer Gemeinde, die Offenheit und den Ansporn, über unsere Reaktion auch einmal selbstkritisch und ergebnisoffen nachzudenken. Wir stehen mit unserem Dialogangebot deshalb weiterhin gerne als ehrlicher Gesprächspartner zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Helmut Lenk
(Fraktionsvorsitzender)