Einfach nur die Dienstzeit verlängern, um Beigeordneter werden zu können?

Bericht „Beigeordneter kann Dienstzeit verlängern“
Stimberg Zeitung 03.06.2015

Helmut Lenk, Fraktionsvorsitzender der UWG

Der Artikel in der Stimberg Zeitung vom 3. Juni über die Verlängerungsmöglichkeit der Dienstzeit von Herrn Grzeskowiak zwecks Zulassung seiner Bewerbung für das Amt des 1. Beigeordneten festigt den Eindruck, dass einige Parteistrategen der SPD gemeinsam mit der Verwaltungsspitze bereits auf politischer Kante taktieren müssen. Das Landesbeamtengesetz NRW (LBG) bietet zwei Möglichkeiten für eine Verlängerung der Dienstzeit von Herrn Grzeskowiak.

Eine Möglichkeit zeigt § 32 Abs. 2 LBG auf. Danach könnte die für die Versetzung in den Ruhestand zuständige Behörde die Dienstzeit von Herrn Grzeskowiak um maximal drei Jahre verlängern, wenn er in seinem aktuell ausgeübten Amt so unabkömmlich ist, dass dienstliche Gründe ein Hinausschieben seiner Altersgrenze erfordern. Welche zwingenden „dienstlichen Gründe“ hier beim Leiter des Ordnungsamtes vorliegen sollen, hat der Landrat als untere Kommunalaufsicht dem Rat bislang nicht mitgeteilt. Auch hat er es offensichtlich vermieden, selbst eine Dienstzeitverlängerung von Herrn Grzeskowiak zu veranlassen. Zudem müsste der Rat dann mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen, wenn es um Wahlbeamte geht, zum Beispiel einen Beigeordneten.


Ein Beamter kann gemäß § 32 Abs. 1 LBG aber auch selbst, d.h. auf eigenen Wunsch, einen Antrag stellen, seine Dienstzeit zu verlängern. Dies müsste jedoch auf seine jetzige Tätigkeit bezogen im dienstlichen Interesse liegen. Welches dienstliche Interesse für die Leitung des Ordnungsamtes über die Regeldienstzeit hinaus für Herrn Grzeskowiak hier vorliegen soll, ist uns ebenfalls nicht erklärt worden.


Aus dem Artikel entnehmen wir, dass Herr Grzeskowiak eine Dienstzeitverlängerung aus dienstlichen Gründen bzw. im dienstlichen Interesse wohl selbst beantragt hat. Dies kann er allerdings nur mit Bezug auf seine Leitung des Ordnungsamtes getan haben und nicht auf ein von ihm angestrebtes Wahlamt, in das er noch gar nicht gewählt wurde. Eine Vereinbarung zum Hinausschieben der Altersgrenze „vorsorglich“ nur für den Fall einer vielleicht künftigen Berufung zum Ersten Beigeordneten anzustreben, hält die UWG daher für politisch sittenwidrig und rechtlich anfechtbar.


Zudem käme eine Dienstzeitverlängerung für Wahlbeamte grundsätzlich erst ab der zweiten Berufung in das Amt in Frage, weil eine Erstberufung zwingend erfordert, dass der Bewerber eine acht-jährige Dienstzeit vor Erreichung der Höchstaltersgrenze voll ableisten kann. In dem Artikel wird aber so getan, als könne man das alles machen, es müsse der Rat nur zustimmen. Damit unterschlägt der Sprecher der Kreisverwaltung, Herr Manz, dass der Beamte bereits Wahlbeamter sein muss, wenn die Zustimmung des Rates erforderlich ist.


Die UWG kann verstehen, wenn der SPD-Bürgermeisterkandidat Heinz Schnettger die Wahl von Michael Grzeskowiak zum Ersten Beigeordneten jetzt zur Chefsache macht und mit aller Macht durchdrücken will, nur weil er mit einem Parteifreund in dieser leitenden Funktion die Verwaltung weiter im Griff halten kann. Erlaubt sei aber die Frage, wer übernimmt die politische Verantwortung, wenn Michael Grzeskowiak falsch beraten wurde und mit seiner Bewerbung gegen die Wand fährt? Und sollte sein Wunsch, erst mit fast 68 Jahren in Pension zu gehen, ehrlich gemeint sein, müsste er dann aufgrund seiner Verzichtserklärung eigentlich bis zum „bitteren“ Ende weiterhin als Leiter des Ordnungsamtes im Rathaus arbeiten.



Helmut Lenk,
Fraktionsvorsitzender der UWG
 


Der Leserbrief wurde in der Stimberg Zeitung nicht veröffentlicht.
Stattdessen erschien ein redaktionell aufbereiteter Artikel, in dem unter anderem auch ein Satz aus dem Leserbrief zitiert wurde.


Die Stimberg Zeitung schreibt:



Grzeskowiak bleibt Beigeordneten-Kandidat
Aber die UWG hält vorsorgliche Vereinbarung zur Dienstzeitverlängerung für anfechtbar

Stimberg Zeitung 09.06.2015


OER-ERKENSCHWICK. (mü) Am Donnerstag, 25. Juni, wählt der Stadtrat einen neuen Ersten Beigeordneten, also den Stellvertreter des Bürgermeisters bei der Führung der Stadtverwaltung. Einer der Bewerber ist der jetzige Ordnungsamtsleiter Michael Grzeskowiak. Dessen mögliche Wahl hält die UWG-Fraktion für problematisch.


Denn Michael Grzeskowiak ist derzeit 59 Jahre alt. Da ein Beigeordneter für die Dauer von acht Jahren gewählt wird, würde Grzeskowiak innerhalb seiner Wahlperiode die Altersgrenze für den Ruhestand erreichen, nachdem er das 65. Lebensjahr vollendet hat.


Der Leiter des Ordnungsamtes hat aber bereits erklärt, im Falle seiner Wahl zum Ersten Beigeordneten die Amtsperiode auf jeden Fall voll „abzuarbeiten„. Gleichzeitig will er auf das ihm zustehende Widerrufsrecht, also auf die Möglichkeit, innerhalb seiner Dienstzeitverlängerung jederzeit in Pension gehen zu können, verbindlich verzichten.


Dazu teilt UWG-Fraktionsvorsitzender Helmut Lenk schriftlich mit: „Eine Vereinbarung zum Hinausschieben der Altersgrenze ‚vorsorglich‘ nur für den Fall einer vielleicht künftigen Berufung zum Ersten Beigeordneten anzustreben, hält die UWG daher für politisch sittenwidrig und rechtlich anfechtbar.“ Zudem käme, so die UWG weiter, eine Dienstzeitverlängerung für Wahlbeamte grundsätzlich erst ab der zweiten Berufung in das Amt infrage, weil eine Erstberufung zwingend erfordere, dass der Bewerber eine achtjährige Dienstzeit vor Erreichen der Höchstaltersgrenze voll ableisten könne.


Bürgermeister Achim Menge beurteilt die rechtliche Situation anders und stützt sich dabei auf eine Begutachtung durch Juristen der Kreisverwaltung in Recklinghausen. Der Kreis ist die kommunale Aufsichtsbehörde der Stadt.


„Wir haben den Kreis Recklinghausen um eine Stellungnahme zur Kandidatur von Michael Grzeskowiak gebeten. Unter Bezugnahme auf einen Richterspruch vom Verwaltungsgericht Arnsberg ist uns mitgeteilt worden, dass eine mögliche Wahl von Michael Grzeskowiak und die Genehmigung seines Antrags auf Dienstzeitverlängerung mit einfacher Ratsmehrheit nicht zu beanstanden wäre“, erklärt Bürgermeister Achim Menge auf Nachfrage unserer Zeitung.


Grzeskowiak bleibt damit einer der sechs Bewerber um das Beigeordneten-Amt, die sich während der von CDU, Grünen und UWG beantragten Rats-Sondersitzung am Freitag, 19. Juni, vorstellen werden. Insgesamt hatten sich 20 Frauen und Männer, darunter drei aus Oer-Erkenschwick, auf die Stellenanzeige gemeldet. Die eigentliche Wahl erfolgt dann sechs Tage später.
 


AUF EIN WORT


Zeit der Strippenzieher


VON
JÖRG MÜLLER



Die Wahl zum Ersten Beigeordneten der Stadtverwaltung, also der künftigen Num­mer zwei hinter dem Bürgermeister im Rathaus, lässt die Bürger vergleichsweise kalt. Nicht aber die Kommunalpolitiker, die am 25. Juni über die Besetzung dieses wichtigen Amtes eine Personalentschei­dung treffen müssen. Und das ist auch gut so.


Zum politischen Geschäft gehört es auch, dass im Vorfeld einer solchen Personal­entscheidung hinter den Kulissen Strippen gezogen, also Mehrheiten gesucht werden. Denn die Zeit, in der nur eine Partei im Stadtrat das Sagen hatte, ist schon lange vorbei. Man braucht jetzt Verbündete, um einen Kandidaten wählen zu können, man braucht Allianzen, um einen Bewerber verhindern zu können.


Dass im Zuge dieser „Wahlvorbereitungen“ bei politisch nicht genehmen Bewerbern auch das viel zitierte Haar in der Suppe gesucht wird, ist ebenfalls normal. Bei Bewerber Michael Grzeskowiak soll es das Alter sein, meint übrigens nicht nur die UWG.


Die Kreisverwaltung hat aber nach juris­tischer Prüfung festgestellt, dass das nicht so ist. Das sollten alle Ratsfraktionen erst einmal so akzeptieren. Schließlich bleibt bis zum Amtsantritt des neuen Beigeord­neten im Herbst noch genug Zeit, die Wahl gerichtlich überprüfen zu lassen.