„Abgebrannt“ sein, bezeichnete im 16. Jahrhundert noch ganz wörtlich jemanden, der durch einen Brand Haus und Hof verloren hatte und damit mittellos war, d.h. pleite war und kein Geld
mehr hatte. Was kann die aktuelle Finanzsituation von Oer-Erkenschwick besser beschreiben als diese alte deutsche Redensart?
Mit seiner Verfügung vom 6.Dezember 2007, die uns mit der Einladung zur heutigen Ratssitzung zur Kenntnis gegeben wurde, teilt der Landrat als untere staatliche Verwaltungsbehörde mit, dass die
Genehmigung des von der Stadt vorgelegten Haushaltssicherungskonzeptes nicht erteilt wird. Bei gleich bleibendem negativen Jahresergebnis wäre das Eigenkapital der Stadt von noch rd. 58,2 Mio. €
in knapp acht Jahren verbraucht.
Bei einem Verschuldungsgrad von 97,4 % (im Verhältnis Fremdkapital zum Eigenkapital) gerät Oer-Erkenschwick, so der Landrat, in eine bedrohlich starke Abhängigkeit von seinen
Gläubigern. Die Kredite zur Sicherung der Liquidität steigen kontinuierlich. Der zuletzt rechtswirksam festgesetzte Höchstbetrag sei bereits um rd. 30,2 Mio. € überschritten, nämlich von 18 Mio.
€ auf nunmehr 48,2 Mio. €, das bedeute eine Steigerung des kurzfristigen Kreditvolumens um 168 % innerhalb nur eines Jahres. Der Kämmerer selbst rechnet bis 2015 sogar mit einem Anstieg des
Kreditvolumens zur Liquiditätssicherung auf 73,2 Mio. € und aufgrund der hohen Investitionskredite mit einer Erhöhung des Fremdkapitalanteils auf 116,5 Mio. €. Allein die Zinsaufwendungen
belasten unseren Haushalt bereits jetzt mit rd. 5 Mio. €, Tendenz steigend.
Schon Ende 2008, so der Kämmerer, ist voraussichtlich die noch knapp 2 Mio. € hohe Ausgleichsrücklage weg. Dann geht es rückwärts. Laut Ausweis des Produktplanes machen wir auch künftig jedes
Jahr nur noch Verluste in Millionenhöhe, allein von 2007 bis 2011 mehr als 25,5 Mio. €. Wir geben ständig mehr aus – und zwar in Millionenhöhe – als wir einnehmen.
Angesichts dieses fiskalischen Horrorszenarios stellt sich für uns als UWG die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Haushaltsrede 2008. Die leere Kasse und ein riesiger, wachsender Schuldenberg
gewähren keinen Platz mehr selbst für bescheidene finanzielle Wünsche bei den freiwilligen Leistungen, und für teure kommunalpolitische Visionen fehlt erst Recht das Geld. Die UWG wird daher für
den Haushalt 2008 heute keine Anträge mehr stellen.
Bei der Verabschiedung des Haushaltes 2008 wird die UWG mit Nein stimmen. Der Haushalt enthält nicht nur eine Kröte, die wir schlucken müssten, sondern derart viele, dass wir
politisch daran ersticken würden.
Die 80 Mio. € Kassenkredite, die in der HH-Satzung festgeschrieben sind, kann die UWG nicht mittragen. Die UWG lehnt riskante Anlagengeschäfte mit Dispo-Krediten ab, denn es ist
das Geld der Steuerzahler, mit dem hier der Kämmerer auf den zufälligen Erfolg des Risikos setzt. Sogar die Zins-Swaps der Deutschen Bank waren schon für etwa 700 Kommunen und kommunale
Unternehmer (Süddeutsche Zeitung vom 11.01.2008) ein dramatischer Finanzflop. Ein Schaden von 200.000 € in Ravensburg, 2,6 Mio. € in Würzburg und ein befürchteter Verlust von 50 Mio. € in Hagen,
wo ab dem 01.01.2008 ein erster echter Sparberater als eigenständiges Gemeindeorgan mit weit reichenden (den Rat letztlich entmachtenden) Befugnissen eingesetzt wurde, bestätigen nur die
kritischen Warnungen der UWG vor derartigen riskanten Zinsspekulationsgeschäften.
Und dass der Kämmerer jetzt die Notbremse zieht, sogar 256.000 € Vorfälligkeitsgebühren zahlen will, um aus den eigenen Zinsspekulationen mit Schweizer Franken, ebenfalls bezahlt mit
Kassenkrediten, vorzeitig aussteigen zu können, zeigt, dass die UWG hier mit ihrer Ablehnung wohl nicht ganz falsch lag. Und über die Sicherheitsgarantien des städtischen
„Spezial-Finanz-Beraters“ West LB möchte ich angesichts des Zweimilliarden, einige Experten befürchten sogar bis zu Viermilliarden Verlust-Debakels nicht weiter spekulieren. Vor diesem
Hintergrund halten wir die von 2008 bis 2011 gleich bleibenden Haushaltsansätze für „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ in Höhe von rd. 2,8 Mio. € angesichts steigender Zinsen und wachsender
Schulden für Schönrechnerei.
Nur spekulieren kann der Rat über die aktuellen Besucherzahlen im Maritimo. Noch im Januar 2006 blickte – so die Presse am 26.01.2006 – der Geschäftsführer Özcan optimistisch in die Zukunft und
präsentierte der staunenden Öffentlichkeit detaillierte Zahlen über die Anzahl der Besucher und ihre Zusammensetzung. Dass selbst die Verwaltung von Herrn Özcan plötzlich nichts mehr erfährt, mit
der Begründung, es handele sich um private Geschäftsdaten, obwohl die Maritimo-Geschäftsführung derartige Zahlen vorher schon mal selbst an die Presse gegeben hat, ist ebenso wenig
nachvollziehbar wie das ganze Hick-Hack um bauliche Mängellisten, die Einbehaltung von Pachtzahlungen oder die Einschaltung von teuren Rechtsanwälten auf Kosten der Stadtkasse. Ganz zu schweigen
vom Imageschaden und weiteren Folgekosten, die womöglich in Millionenhöhe noch auf die Stadt zukommen.
Die UWG hatte sich für ein bedarfsgerecht dimensioniertes Bad eingesetzt, das von den Bürgern dieser Stadt angenommen und preiswert genutzt werden kann.
Das neue Stadtbad in Datteln zeigt, wie man schwarze Zahlen schreiben kann. Wir in Oer-Erkenschwick zahlen stattdessen jeden Tag – Jahr für Jahr – allein 2.500 € Zinsen
für das Maritimo, und damit ist noch kein Cent der Kredite in Höhe von ca. 20 Mio. € getilgt. Das Maritimo ist zurzeit wie ein Fass ohne Boden. Hier dokumentiert sich für die UWG ein
falsches Wirtschaftsförderungsverständnis, das sich einer objektivierbaren positiven Nachhaltigkeit für die Oer-Erkenschwicker Zukunftsentwicklung völlig verschließt.
Ein weiteres finanzpolitisches Reizthema der UWG ist weiterhin die Stimberg- und Stadthallen GmbH. Der Geschäftsführer dieser GmbH und seine Sympathieträger in Verwaltung und
Politik haben bestimmt Verständnis, wenn ich mich jetzt kurz fasse und nur frage: Bereichert diese GmbH die Kultur- und Veranstaltungsszene unserer Stadt tatsächlich um mehr als 300.000 € pro
Jahr?
Ein altes Sprichwort sagt: „Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz“. Manche Mutmaßungen und Entscheidungen politischer Wortführer sind nicht nur für die UWG nicht mehr
nachvollziehbar. Wir sehen keinerlei Veränderungen in den Machtstrukturen der Verwaltung und dem Agieren ihrer personell unverändert gebliebenen Entscheidungsträger.
Lediglich die Person des Bürgermeisters wurde ausgewechselt. Das einzig Neue, was wir außer teuren Rechtsgutachten und hohen Prozesskosten noch sehen, ist, dass selbst bei der
jährlichen Erstürmung des Rathauses sogar der bei den Oer-Erkenschwickern sehr beliebte erste Stellvertreter des Bürgermeisters seine Narrenkappe an eine neue „Tollität“ abgeben musste. Zumindest
hier hätte die UWG vom ersten Bürger dieser Stadt soviel karnevalistischen Großmut erwartet, wie ihn sein Vorgänger im Amt über alle Parteigrenzen hinweg souverän – und von vielen Bürgern in
seiner menschlichen Art anerkannt – in überzeugender Weise gezeigt hat.
Lassen Sie mich abschließend einem CDU-Bürgermeister den Spruch eines großen Sozialdemokraten, nämlich Herbert Wehner, mit auf den Weg geben. Der „Zuchtmeister der SPD“ ist nie zimperlich mit
seinen Kontrahenten umgegangen ist, setzte in seinem Handeln aber trotzdem eine Grenze des politischen Anstandes:
Vorgetragen von Helmut Lenk, Fraktionssprecher
(Es gilt das gesprochene Wort)