Haushaltsrede 2005

Ratssitzung am 2. Februar 2005 14:00 Uhr


„Wer spart, wenn er hat, der findet, wenn er bedarf“, galt schon bei den Kaufleuten des Mittelalters als Grundmaxime vorausschauender Wirtschaftsphilosophie. Doch heute zeigt schon ein kurzer Blick in den Stadtsäckel nur gähnende Leere. Wir haben nichts mehr zum Sparen, dürfen auch nichts mehr Ausgeben, obwohl Bedarf zuhauf da ist. Da nichts mehr zu finanzieren ist, wird die UWG folgerichtig für den Haushalt 2005 selbst keine neuen den Haushalt belastenden Anträge mehr stellen und auf Erbsenzählerei sowie Show-Debatten verzichten.


Zahlreiche UWG-Initiativen der zurückliegenden Legislaturperiode bestätigen, dass wir trotz einer geradezu bornierten Ablehnung all unserer Sachbeiträge durch den Vorgänger des jetzigen SPD-Fraktionsvorsitzenden unbeirrt notwendige Entscheidungszwänge vorausschauend erkannt und zielorientiert gehandelt haben. Denn es entsprach der Denklogik des früheren SPD-Vorsitzenden sämtliche UWG-Anträge zunächst gemeinsam mit der CDU abzulehnen, um sie danach im Sinne nachreifender Erkenntnis zur Maxime des eigenen politischen Handelns zu machen. Einige Beispiele aus der Chronologie unserer Ratsarbeit bestätigen dies.

  • Am 11.02.2000 lehnen Herr Rusche und der Rat den UWG-Antrag auf Bereitstellung von Mitteln für die Entwicklung einer Homepage der Stadt Oer-Erkenschwick ab. Inzwischen gibt es diese Homepage und niemand will sie mehr missen.
  • Im Rahmen der Haushaltsberatung am 07.02.2001 fegen Herr Rusche und der Rat den UWG-Vorschlag vom Tisch, eine Haushaltsstelle für die Einführung des neuen kaufmännischen Rechnungswesens, das die Kameralistik ablösen wird, einzurichten. Inzwischen gibt es diese Haushaltsstelle und wir können darauf nicht verzichten.
  • Herr Rusche und der Rat weisen ebenfalls am 07.02.2001 auch die UWG-Forderung zurück, die Position „Stadtmarketing“ finanziell aufzustocken. Inzwischen werden die Mittel bereitgestellt und die professionelle Arbeit der Wirtschaftsförderin Frau Bonnemeyer wäre ohne dieses Geld nicht denkbar.
  • Am 05.02.2004 lehnen Herr Rusche und der Rat den Vorschlag der UWG ab, die Repräsentationskosten der Stadt um 10 % zu kürzen. Inzwischen hat die „Rasenmäher-Methode“ längst adäquate Fakten geschaffen.
  • Am 06.02.2003 lehnen Herr Rusche und der Rat den UWG-Antrag ab, für das Kinder- und Jugendparlament eine Haushaltsstelle einzurichten und 2000 Euro einzusetzen. Trotz Ablehnung des UWG-Vorschlages stehen jetzt im Haushalt unter der HHSt. „1.451.717900“ sogar 3000 Euro für das Kinder- und Jugendparlament.
  • Als Ablehnungs-Highlight mit Wiederholungseffekt präsentiert sich der Hünenplatz. Herr Rusche und der Rat weisen gleich dreimal die UWG-Forderung als unbegründet und überflüssig zurück, für den Notfall Mittel in Höhe von 25.000 Euro im Haushalt einzusetzen, falls Gespräche mit dem Regierungspräsidenten keine kostenneutrale Lösung der Parkplatzproblematik bringen. Mit konsequenter Hartnäckigkeit bügeln Herr Rusche und der Rat diese UWG-Initiative zum Ersten am 07.02.2001, zum Zweiten am 04.05.2001 und zum Dritten am 05.02.2002 unisono ab. Heute trötet der Ex-SPD-Fraktionsvorsitzende als BOE-Fraktionsvorsitzender unbekümmert in die Trompete der UWG und outet sich mit dem Top „E.1.“ seines Antragskonvoluts vom 24.01.2005 sogar als glühender Verfechter originärer UWG-Politik.


Wir sind gespannt, ob sich diese Sinnesläuterung auch in einer Zustimmung zu den heutigen UWG-Beschlussentwürfen zeigt, die nach dem HuF hier erneut als Tischvorlage vorliegen (siehe Anlage) und deshalb wohl nicht nochmals vorzulesen sind. Lediglich der Antrag zur Stadthalle und Stimberghalle wurde um den Prüfungsauftrag „b“ erweitert.


Die Prüfungsaufträge der UWG belasten den Haushalt nicht. Sie können aber Handlungsfelder aufzeigen, die unseren Haushalt möglicherweise ein wenig entlasten und zumindest im kleinen Rahmen wieder eigene Entscheidungsfelder für den Rat eröffnen. Deshalb unser Appell insbesondere an SPD und CDU, endlich einmal schadlos über den Schatten zu springen und diese Vorschläge mit zu tragen.


Kosten deckende Einnahmen sind ansonsten ein Fremdwort in der kommunalen Finanzpolitik. Stattdessen müssen wir uns mit immer längeren Laufzeiten im Haushaltssicherungskonzept abfinden. Laut Innenministerium ist der Oer-Erkenschwicker Konsolidierungsrahmen inzwischen der zeitlich längste aller NRW-Kommunen. Fast der gesamte Verwaltungshaushalt lebt auf Pump. Wir besitzen keinen Reservenotgroschen mehr für den lang- und kurzfristigen Schuldenabbau. Wir geben faktisch mehr Geld aus, als wir einnehmen, und schieben – so der Bund der Steuerzahler im Januar 2005 – die zu hohen Ausgaben früherer Haushaltsjahre wie eine Lawine vor uns her.


Die UWG hält deshalb die erneute Erhöhung der Kassenkredite auf nunmehr 60 Millionen Euro für eine äußerst bedenkliche Entwicklung, die wir nicht länger mittragen können. Eigentlich – ähnlich wie ein „Dispo“ – als Instrument zur kurzfristigen Liquiditätsbeschaffung gedacht, wandeln sich die Kassenkredite zunehmend zu einer permanenten Einnahmeposition, um den Verwaltungshaushalt letztlich über Kredite zu finanzieren.


Als höchst bedenkliche Entwicklung bewertet die UWG, wenn Kassenkredite für spekulative Geschäfte mit Schweizer Franken genutzt werden. Immerhin etwa 8 Millionen Euro, wenn wir den Kämmerer richtig verstanden haben. Je nach der zukünftigen Entwicklung des Kurses SFRS / Euro kann zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung des Kredites die bisherige positive Entwicklung ins Negative umschlagen. Aufgrund des zurzeit schwachen US-Dollars ist der Euro auch gegenüber jeder anderen Währung stark. Es ist jedoch absehbar, dass die Schwäche des US-Dollars nicht ewig anhält. Sobald die Zinsen in den USA deutlich steigen, wird der US-Dollar stärker und damit der Euro schwächer. Die Schweizer Wirtschaft ist relativ stabil. Die Deutsche lebt einzig und allein vom Export. Daher muss damit gerechnet werden, dass das für den Euro zurzeit positive Kursverhältnis zum Schweizer Franken nicht von Dauer ist. Die Kursmarke, bei der das Kreditgeschäft währungsmäßig zu Null aufgeht, ist schnell wieder erreicht. Jede Unterschreitung der Marke führt zu einem Verlust, der den Oer-Erkenschwicker Steuerzahler teuer zu stehen kommt. Mit Spekulation öffentliche Finanzen seriös sanieren zu wollen, ist für die UWG deshalb „heiße Luft“. Womöglich richtet die Hohensyburg demnächst noch einen Kämmerer-Casino-Stammtisch ein, wo die letzten Verfügungsmittel des Bürgermeisters gegen HSK-Coupons für's Roulettspiel eingetauscht werden können.


Ein altes Sprichwort sagt: „Was man spart vom Mund, fressen Katz' und Hund“. Welches Bonmot könnte besser unsere heutige städtische Haushaltslage kennzeichnen? Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Haushaltsjahr 2005 fehlen einschließlich der Altfehlbeträge etwa 35 Millionen Euro. Bei den jetzigen politischen Rahmenbedingungen wird Oer-Erkenschwick aus diesem Schuldenloch nie mehr herauskommen. Auch Powerpoint unterstützte Hochrechnungen des Kämmerers für wieder schöne Finanzzeiten in vielleicht fünfzig oder sechzig Jahren nimmt deshalb wohl niemand mehr ernst.


Der Rat kann keine größeren Investitionen mehr beschließen. Politischer Gestaltungsspielraum existiert kaum noch. Die Einweihung der neuen Turnhalle an der Friedrich-Fröbel-Schule wird wohl auf Jahre das letzte große „Baueinweihungsevent“ für die Stadt sein. Im Rahmen der verbliebenen finanziellen Gestaltungsfelder fokussieren sich die politischen Kompetenzentscheidungen des Rates stattdessen auf Handgriffe für Fahrradfahrer an einigen Verkehrsampeln. Auf Überlegungen, am Ende der Buschstraße eine Verkehrsschranke zunächst aufzubauen, um sie dann wieder abzubauen oder – wie in einem aktuellen Antrag zum Haushalt 2005 nachzulesen – auf die Kernfrage vieler sich ungerecht behandelt fühlender Hundeliebhaber, warum „Kampfhunde oftmals harmloser und besser erzogen sind als kleine Hunde“.


Wir sind als Rat – um in der Bildsprache zu bleiben – praktisch auf den Hund gekommen. So werden wir Ratsmitglieder als vom Bürger gewählte Mandatsträger auf kaltem Finanzwege entmündigt. Natürlich gibt es auch hausgemachte finanzpolitische Altlasten mit langjährigen Folgewirkungen die SPD und CDU als rot-schwarze Kuschelkoalition seit den Zeiten von Willi Winter, Heinz Netta und Clemens Peick ausschließlich alleine verantworten haben. So hält die UWG das Maritimo mit einem Tilgungs- und Zinsaufwand von mindestens 40 Millionen Euro weiterhin für finanziell überdimensioniert und für ein Fass ohne Boden. Wir werden weiter kritisch hinterfragen, ob wir uns künftig ohne Abstriche die jetzige Kulturpolitik noch leisten können, wenn gleichzeitig in allen anderen städtischen Bereichen der Geldhahn zugedreht werden muss. Warum soll der Oer-Erkenschwicker Steuerzahler das Kulturprogramm für die Bürger der umliegenden Städte finanzieren, denn es wurde ja wiederholt auf die vielen auswärtigen Besucher verwiesen? Von dadurch neu geschaffenen Arbeitsplätzen z.B. bei der Stimberg- und Stadthallen GmbH haben wir bislang nichts gehört.


Gleichwohl müssen wir trotz Maritimo und Hallen-GmbH feststellen, dass unsere Kommunalpolitik zunehmend fremdbestimmt wird. Mit immer neuen Gesetzen und Auflagen bestimmen Land und Bund, wofür wir als Kommune Geld ausgeben müssen, das wir seit Jahren gar nicht mehr haben.


Angesichts dieser dramatischen Entwicklung muss die Sinnhaftigkeit von kommunalen Haushaltsberatungen ernsthaft in Frage gestellt werden. Offenbar gilt für unsere MdL's – Anwesende besonders eingeschlossen – nicht mehr das Prinzip „wer die Musik bestellt, muss sie auch zahlen“. Als kostenträchtige Bei­spiele seien nur die ständig wachsenden Sozialleistungen oder der Brandschutzbedarfplan genannt.


Die UWG hält es für einen Skandal, dass wir Kommunalpolitiker nun die Suppe auslöffeln sollen, die unsere Volksvertreter in Düsseldorf und Berlin uns eingebrockt haben. Die UWG wird deshalb keinem Haushaltsplan zustimmen, der diesen Konnexitätsskandal auf Dauer sanktioniert. Mit unserer Ablehnung werden wir ihn nicht verhindern können, aber wir wollen unserem ohnmächtigen Unmut über die rot-grünen Politiker in Düsseldorf und Berlin Ausdruck geben, die unsere kommunale Selbstverwaltung faktisch ad absurdum führen.



Vorgetragen von Helmut Lenk, Fraktionssprecher
(Es gilt das gesprochene Wort)

 


 

Anlage zur Haushaltsrede 2005


Anträge der UWG

  1. Stadthalle und Stimberghalle
    Die Verwaltung wird beauftragt,
    1. die Möglichkeiten eines Verkaufs von Stadthalle und / oder Stimberghalle an einen privaten Investor und die daraus erwachsenden rechtlichen und finanziellen Folgen für die Stadt als potentiellen künftigen Mieter zu prüfen sowie mit den jetzigen Verpflichtungen und der Kostensituation als Verpächterin zu vergleichen.
    2. Kooperationsmöglichkeiten des städtischen Kulturbetriebes mit den Nachbarstädten zu prüfen.
    Begründung:
    Die Stadt hat als Eigentümerin beider Hallen bei relativ geringen Pachteinnahmen beträchtliche Ausgaben, die den städtischen Haushalt dauerhaft belasten. Als Beispiele seien genannt die Veranstaltungskostenerstattung, die Bewirtschaftungskosten, die Kosten der Wirtschaftsprüfung, die laufenden Instandhaltungskosten, die Rücklagen für die Miteigentümergesellschaft. Zusätzlich ist sie als Eigentüme­rin für die Bausubstanzerhaltung zuständig (aktuelles Beispiel: 130.000 € für neuen Schwingboden).
  2. Landesförderung für Kinder- und Jugendarbeit
    Der Unterausschuss „Jugendhilfe“ des Fachausschusses Jugendhilfe und Soziales wird beauftragt, im Zusammenwirken mit der Verwaltung einen inhaltlichen Konzeptvorschlag zu erarbeiten (Zielsetzung: Ausweitung und weitere Qualifizierung des IGBCE-Heimes zu einem „Jugendkulturtreff“). Der Träger des IGBCE-Heimes und der Verein JOE werden gebeten, sich an diesen Planungsüberlegungen zu beteiligen. Die Verwaltung soll weiterführend prüfen, inwieweit Landesfördermittel für eine Umsetzung dieses Konzeptvorschlages abgerufen werden können.

    Begründung:
    Seit dem 1.Januar 2005 ist das Gesetz zur Förderung u.a. der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit (abgekürzt) in Kraft. Dafür stellt das Land NRW zunächst befristet bis zum 31.12.2010 jährlich 96 Mio. Euro bereit. Als Schwerpunkte werden u.a. genannt: die kulturelle, medienbezogene und freizeitorientierte Jugendarbeit insb. auch in kooperativen Angebotsformen der offenen Jugendarbeit.
  3. Werbeflächen auf städtischen Fahrzeugen
    Die Verwaltung wird beauftragt, die Möglichkeiten einer Vermarktung von Flächen für Werbezwecke auf den Fahrzeugen des Bauhofes zu prüfen und ggf. Preisangebote einzuholen. Die möglichen Einnahmen werden – soweit dies haushaltsrechtlich realisierbar ist – für die Konzeptionisierung eines „Jugendkulturtreffs“ in Kooperation mit dem IGBCE-Heim und dem Verein JOE am Ziegeleitor eingesetzt.

    Begründung:
    Für die Vermarktung von Werbeflächen auf städtischen Fahrzeugen können ohne Finanzrisiko der Stadt zusätzliche Einnahmen erwirtschaftet werden, auf die auch Oer-Erkenschwick nicht verzichten sollte.