30 Jahre Lokalpolitik in Oer-Erkenschwick: Helmut Lenk und Rainer Lewe blicken zurück

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Oer-Erkenschwick. Rainer Lewe (70) und Helmut Lenk (75) haben die Lokalpolitik in Oer-Erkenschwick über drei Jahrzehnte geprägt. Nach ihrem Rückzug blicken sie gemeinsam zurück.

Sie genießen ihre neugewonnene Freizeit: Rainer Lewe (l.) und Helmut Lenk waren mit der UGW 30 Jahre lang in der Oer-Erkenschwicker Lokalpolitik aktiv.

Von Benedikt Iwen (Stimberg Zeitung 16.05.2025)
 

Helmut Lenk (75) und Rainer Lewe (70) haben die UWG vor drei Jahrzehnten mitgegründet. Lenk sitzt immer noch im Stadtrat, ab Mitte September ist dann Schluss. Für ihn und auch seine Partei. Die UWG wird nicht wieder antreten. Ein Gespräch über 30 Jahre Lokalpolitik.


Sie treten nicht wieder zur Kommunalwahl an. Die Entscheidung ist jetzt zwei Wochen her. Wie fühlt sich das an?


Lenk: Erstmal ungewöhnlich, muss man sagen. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jetzt in ein tiefes, schwarzes Loch falle und nicht mehr weiß, wie ich den Tag rumkriege. Ich bin in der Jugendarbeit groß geworden, habe 25 Jahre lang eine Jugendfreizeit­stätte der Pfadfinder aufgebaut. Die gibt es übri­gens immer noch, Schule Beck in Dorsten. Ich war 25 Jahre Geschäftsführer aller Pfadfindergruppen im Kreis Recklinghausen. Und das war eine schöne Zeit, nur da war auch irgendwann der Punkt erreicht, aufzuhören.


Herr Lewe, Sie haben sich bei der Abstimmung, nicht wieder anzutreten, enthalten.


Lewe: Ich habe mich enthalten, weil es mir gerade als Gründungsvorsitzender natürlich sehr schwerfällt, so ein liebgewordenes Hobby loszulassen. Ich war zwar nur zehn Jahre im Stadtrat von 1999 bis 2009. Aber immerhin, das war schon eine prägende Zeit, die ich nicht missen möchte. Da hat man gelernt, mit Leuten zu sprechen, auch öffentlich mal etwas zu sagen und zu debattieren, in der Presse zu erscheinen, mit allen Vor- und Nachteilen. Das soll also nicht mehr sein, aber ich sage mir, eine Alternative wäre gar nicht möglich gewesen.


Warum?


Lewe: Wir haben ganz einfach nicht mehr genügend Kandidatinnen und Kandidaten. Und die jetzt aus dem Hut zu zaubern, woher sollen die kommen? Wir können ja nichts bieten, insbesondere keine Karrierechancen. Wir arbeiten ganz bewusst nur lokal vor Ort. Wir brauchen einfach Idealisten und haben die damals auch gefunden. Zumal damals die Zeit eine andere war. Im Stadtrat war die SPD seit Jahrzehnten mit über 60 Prozent vertreten, und dann gab es damals noch die CDU und die Grünen im Stadtrat. Dann kamen wir.


1994 haben Sie den Einzug in den Stadtrat knapp verpasst, 1998 haben Sie dann ihr bestes Ergebnis mit fast zehn Prozent bekommen. Wie haben Sie das geschafft?


Lewe: Wir haben einfach nicht nachgelassen. In diesen fünf Jahren außerparlamentarischer Opposition haben wir immer wieder Leserbriefe geschrieben und Initiativen gestartet. Bis 1999 war die UWG in aller Munde und da haben sich viele Leute gesagt, naja, versuchen wir es mal mit denen, vielleicht können die ja etwas bewirken. Und dann kam das dabei heraus.


Lenk: Die SPD hat alles bestimmt. Wer im Rathaus einen Posten bekam, wer befördert wurde. Und die Bürger haben eine Opposition vermisst.


Die SPD wurde von Wahl zu Wahl schwächer. Aber Ihre Ergebnisse wurden dann auch immer schwächer. Warum haben Sie es nicht geschafft, mehr Stimmen zu bekommen?


Lenk: Es gab Alternativen für eine Opposition. Dazu zählte anfangs wirklich auch die BOE. Dann kamen Die Linke und die UBP hinzu.


Lewe: Auch deshalb, weil wir nicht so auf die sozialen Medien gesetzt haben. Wir sind halt klassisch ausgebildet und sozialisiert.


Rückblickend: Gibt es irgendetwas, worauf Sie in Ihrer Zeit besonders stolz sind?


Lenk: Was die Ratsarbeit anbelangt, fällt mir die Wahl der ersten Beigeordneten Gabriele Langemeier-Konrad ein. Da ist es wirklich gelungen, über Mehrheitsbildungen jenseits der SPD, eine Person durchzudrücken, die die SPD partout nicht haben wollte.


Was erwarten Sie denn bei der nächsten Kommunalwahl?


Lenk: Ich habe mehrere Sorgen. Erstmal sehe ich, dass das Interesse an Kommunalpolitik sich darauf beschränkt, zu schimpfen. Die AfD wird, wenn sie so gewinnt, wie jetzt bei der Bundestagswahl, die zweitstärkste Kraft in Oer-Erkenschwick. Die AfD ist für viele Bürger jetzt die Opposition, die man wählt, um denen da oben mal die lange Nase zu zeigen.


Lewe: Wenn man sich die Ergebnisse der Bundestagswahl im Februar 2025 anschaut, so wurde zum Beispiel im Wahlbezirk AWO-Seniorenzentrum, ehemals Hochburg der SPD, von 32 Prozent der Wählerinnen und Wähler die AfD gewählt. Also, da graut es mir vor der Kommunalwahl im September.


Was muss der künftige Bürgermeister, der künftige Stadtrat in Oer-Erkenschwick umsetzen?


Lewe: Mehr Transparenz, dass man die Bürger einfach besser informiert – zum Beispiel darüber, was im Klemm-Dreieck geplant ist. Soweit ich mich erinnere, gab es im März 2023 eine Informationsveranstaltung in der Stadthalle mit den Investoren. Seitdem ist da so gut wie nichts mehr passiert. Wie sieht es mit den Planungen zurzeit konkret aus? Da würde man gerne Näheres darüber wissen.


Lenk: Wer Politik macht, macht nicht immer alles richtig. Da vermisse ich beim Bürgermeister, das einzugestehen. Beispiel Straßenschilder 10 Km/h Zone auf der Stimbergstraße. Wir wurden als dumm hingestellt, das infrage zu stellen. Und dann werden stillschweigend die Schilder ausgetauscht.