Antwort des Bürgermeisters auf den 'Aufruf an den Bürgermeister'

Bürgermeister Carsten Wewers

Sehr geehrte Frau Weissenbacher,

am 30. Juli 2020 ist mir ein „Aufruf an den Bürgermeister von Oer-Erkenschwick“ zugegangen, der u.a. Ihre Unterschrift trägt. Mangels jedweden Hinweises einer zustellfähigen Absenderadresse erlaube ich mir, mein Antwortschreiben an Sie zu richten und setze dabei voraus, dass Sie die Mitunterzeichner vom Inhalt in Kenntnis setzen.

In Ihrer Mitverantwortung werden in dem Aufruf massive Vorwürfe erhoben, die allesamt dahingehend zu interpretieren sind, dass Sie (und die Mitunterzeichner) den Anspruch erheben, bzw. die Forderung aufstellen, darüber mit zu entscheiden, wer und wie man in Oer-Erkenschwick leben – oder besser – wohnen darf. Dass Sie dies ausschließlich auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger beschränken, erscheint mir nicht nur fragwürdig, sondern entlarvt Ihren Einsatz leider auch als leicht durchschaubaren parteipolitischen Anbiederungsversuch an sicherlich nicht ganz zu Unrecht erzürnte Nachbarn im Umfeld des Kreuzungsbereiches Stimbergstrasse/Hovelfeldweg.


Ihr „Aufruf“ enthält nicht nur Vorwürfe und Behauptungen sondern auch Fragen (an mich?), die Sie in UWG-üblicher Manier auch selbst wieder beantworten. Ich frage mich allen Ernstes, woher Sie das Wissen nehmen, bzw. wer Sie dahingehend informiert hat, solche wirklich abwegigen und z.T. beschämenden Unwahrheiten zu verbreiten. Im Gegensatz zu Ihnen haben sich die zuständigen kommunalen Fachämter unterstützt von der örtlichen Polizei in den betreffenden Gebäuden/Wohnungen intensiv umgesehen. Die Ergebnisse der Untersuchungen konnten Sie der Lokalpresse entnehmen. Ohne dass ich mich zu sehr in Details verliere, nur so viel zu den Fakten:
 

   Kein Haus war bis „unter die letzte Dachritze“ belegt,
   Keine Wohnung war überbelegt, „total überfüllte Schlafhäuser“ konnten nicht aufgespürt werden,
   kein einziger Bewohner arbeitet in Oer-Erkenschwick in der Fleischindustrie.


Sehr geehrte Frau Weissenbacher und Mitunterzeichner,


jetzt wäre es wirklich an der Zeit, dass Sie mir und der Öffentlichkeit nachvollziehbar erklären, wie Sie in dieser Angelegenheit eine Verbindung zur Fleischindustrie und „an moderne Form der Lohnsklaverei“ herstellen können. Auch wäre hierbei äußerst interessant zu wissen, was Sie zu den Aussagen bezüglich Billiglöhne berechtigt. Wenn Sie die konkreten Einkommensverhältnisse und die Löhne kennen, wäre es nur recht und billig, wenn Sie diese auch konkret benennen würden anstatt sich mit polemisch-populistischen Pauschalbehauptungen zu agieren.


Ich bedauere zutiefst, dass Sie nur aus rein parteitaktischem Kalkül heraus die berechtigten Anliegen von Anwohnern zum Anlass nehmen, sich als deren „Anwalt“ zu profilieren und Scheinlösungen und Schuldige zu präsentieren. Haben Sie mit den rumänischen und/oder bulgarischen Bewohnern der betreffenden Wohnungen gesprochen? Der Diktion Ihres Aufrufes nach, müssten doch auch sie „Opfer“ des Systems sein, für die man sich einsetzen könnte.


Abschließend darf ich Ihnen allen versichern, dass es keines UWG-gesteuerten „Aufrufes“ an den Bürgermeister bedarf, um bestehende oder drohende Missstände in unserer Stadt zu identifizieren und soweit wie möglich zu beseitigen. Dazu gehört aber auch, stets die einschlägigen Gesetze und Vorschriften zu beachten und – auch wenn es manchmal schwerfällt – einfach nur anzuerkennen, dass in unserem Staat / in unserer Gesellschaft nicht alles geregelt werden kann. Dazu bedarf es eher einer gezielten Bewusstseinsänderung und entsprechender Aufklärung der Bevölkerung.


Darin unterscheiden sich dann eben die populistischen Heilsversprecher vom verantwortungsbewussten Politiker, der das Gemeinwohl, das gesamte Gemeinwesen, im Blick hat und sich nicht nur um Gruppen- und Einzelinteresse kümmert, was sicherlich viel einfacher ist. Und genauso verstehe ich mein Amt. Ich tauche nicht weg! Ich, d.h. alle zuständigen Stellen waren jetzt schon widerholt vor Ort und arbeiten aktuell an einer nachhaltigen Lösung. Die Arbeit von Polizei und Ordnungsbehörden eignet sich nicht dazu mit Empörung und Öffentlichkeit zu agieren. Im Gegensatz zu Ihnen steht für mich nämlich die Lösung eines Problems im Vordergrund, während Ihr politisches Selbstverständnis ja nur darauf gerichtet ist, Probleme zu finden und unaufhörlich zu beklagen. Zu einer Problemlösung hat die UWG meines Wissens nach noch nie beigetragen.


„Runder Tisch“ gerne, aber nur wenn es tatsächlich etwas zu regeln gibt, dass in die unmittelbare Zuständigkeit der Kommune fällt und auch nur dann, wenn die klassischen Instrumente des öffentlichen Rechts nicht mehr greifen.


In diesem Sinne erwarte ich Ihre Antwort auf meine Fragen, wer die Wohnungen im Einmündungsbereich Stimbergstraße/Hovelfeldweg von Ihnen besichtigt hat, wie die Behauptungen zum Zustand belegt werden können und wie Sie die Behauptungen zur Fleischindustrie, Lohnsklaverei und Entlohnung verifizieren wollen. Ganz konkret, wer von den in dem genannten Gebäude wohnenden Personen wird unterbezahlt und bei welchem Unternehmen in der Fleischindustrie beschäftigt? Wie hoch ist der Verdienst? Wie viele Personen pro Quadratmeter haben Sie in den Wohnungen angetroffen? Die Tatsache, dass ich und meine Mitarbeiter sich gemeinsam mit der Polizei im Rahmen von gesetzlichen Möglichkeiten um die tatsächlichen Probleme kümmern, konnten Sie widerholt der Presse entnehmen und lässt sich auch durch Ihre haltlosen Anschuldigungen nicht widerlegen.
 


Mit freundlichen Grüßen
 

Carsten Wewers
Bürgermeister